Das Ergebnis eines fünfstündigen Interviews mit Steffen Weiß für
meinAnzeiger.de sind wohl die treffendsten Worte über mich.
Der Link zum Interview auf meinAnzeiger.de
Verrückt oder nicht?
Die Fotos von Matthias Hellebrandt aus Bad Köstritz sind ab Samstag (25.02.2012) in der Ausstellung "100 Jahre Aktfotografie" im Haus Schulenburg zu sehen.
Gera: Haus Schulenburg | "Bin ich verrückt?" Die Frage kam etwa zu Beginn der vierten Gesprächsstunde. Er steckt schon mal Frauen für ein einzigartiges Foto ins Aquarium. Das Wohnzimmer ist nicht mehr als solches zu erkennen. Es ist zum Fotostudio mutiert. Um Blitzanlage und Reflektoren gruppiert sich ein Sammelsurium an Requisiten. Selbst manche bekannte Filmszene lässt sich in den tausenden Dingen wiederfinden. Eine Schrankwand sucht man in seinem Wohnzimmer vergebens. Aber der Fernseher steht noch da. Wann der das letzte Mal an war? Das könnte ewig her sein. Matthias Hellebrandt schaut seit Jahren kein Fernsehen mehr. Aber das eine oder andere Model wünscht sich MTV während des Shootings. Er selbst kann gut auf Musik beim Arbeiten verzichten. Und wenn doch, dann lieber Rammstein. Und die CDs sind, so fügt er stolz an, sogar alle gekauft und nicht gebrannt.
Hier entstehen also die verrückten Fotos? Nur vor jenem grauen Hintergrund? So ist es. Helle, wie ihn seine Freunde nennen, ist ein Meister des Composings. Das Model wird vor einem grauen Hintergrund fotografiert. Weitere Bildbestandteile werden am Computer eingefügt. Die stammen entweder aus seinem früheren Fotografenleben oder sind komplett frei erfunden und selbst in 3-D-Fotoprogrammen gerendert. So entstehen einzigartige Bilder, die in jedem Science-Fiction-Film gut aufgehoben wären.
Fragt man Helle nach seiner fotografischen Vorgeschichte, tauchen die "üblichen Verdächtigen" auf. Interesse an Papas Fotoapparat Praktika Nova 1, den er als Bub aber nie ohne Aufsicht verwenden durfte. Dann der Fotoclub während der Schulzeit. Als Matthias Hellebrandt Vater wurde, bekam er eine Exa 1b geschenkt. Es folgten die obligatorischen Baby- und Kinderfotos. Nach ein paar Jahren spielte das Fotografieren keine große Rolle mehr.
Mitte der 90er Jahre wechselt eine viel zu teure Digiknipse über den Ladentisch. Es folgen ein paar Partybilder, die ein einsames Dasein auf der Festplatte fristen. Das einschneidende Erlebnis kommt erst während eines Urlaubs 2003. Der Bad Köstritzer hat das sprichwörtliche Blut geleckt. Mit seiner ersten Digitalen Spiegelreflexkamera hat er 2006 ein neues Hobby gefunden. Im Fotografenjargon spricht man von Schrottrobbern. Das sind jene Fotografen, die ständig verbotenerweise quer durchs Land in zerfallende Fabrikgebäude einsteigen und das Marode auf den Sensor bannen - sozusagen unterwegs in Endzeitfilmen. Kein ungefährliches Hobby - rechtlich und gesundheitlich gesehen. Aber auch hier kommt der Zeitpunkt, wo Helle nicht mehr gleich nach der Ankunft zuhause die Bilder vom Chip lädt. Das Interesse lässt nach. "Mir ist das Tote zu tot."
Einen Ausweg daraus findet er, indem er Models in die morbiden Szenen vor Ort integriert. Erst zu jenem Zeitpunkt - so etwa 2008 - beginnt er Menschen zu fotografieren. Jetzt sind die Fotos zwar nicht mehr tot, dafür ist der Aufwand beträchtlich gestiegen. "Und ich war immer heilfroh, dass nicht irgendwo eine marode Betondecke oder was auch immer eingestürzt ist", erinnert er sich zurück.
So kommt eins zum anderen. "Schuld" ist sicher auch seine Tätigkeit an der Grundig-Akademie Gera. Hier vermittelt er unter anderem Photoshop-Wissen. Warum nicht die Models unter kontrollierbaren Lichtbedingungen im Studio fotografieren und sie im Nachhinein in die Schrottrobberszenen einfügen? Anfangs machte Helle dies im Studio des Geraer Lichtbildkombinats. Aber auch hier war ihm die Requisiten-hin-und-her-Schlepperei bald zu mühsam. Er opferte sein häusliches Wohnzimmer dem Hobby.
Und wie kommt er zu seinen Models? Hellebrandt erinnert sich, wie mühsam das zu Beginn war. Mit seinen Fotoveröffentlichungen in der Fotocummunity und der Modelkartei im Internet entwickelt sich jenes Thema in Kürze zum Selbstläufer. Die Anfragen häuften sich derart, dass er zeitweise täglich ein Shooting hatte. Genau kann er es auf Anhieb nicht sagen. Aber so 200 bis 300 Shootings werden es bis heute wohl gewesen sein.
Somit ist die Modelfrage geklärt. Bleibt jene nach den immer neuen Bildideen. Da holt der Bad Köstritzer weit in seiner Geschichte aus. Als Kind schickten ihn seine Eltern immer frühzeitig zu Bett. Die verbleibende Zeit bis zum Schließen der Augen widmete er utopischen Romanen. Lem und wie sie alle hießen. Er hat die Bücher gefressen. Natürlich spielt beim Lesen das Kopfkino eine große Rolle. Und jenes hat er sich bis zum heutigen Tag bewahrt. So sprudeln die Ideen für seine außergewöhnlichen Fotos und scheinen auch angesichts heutiger 3-D-Kinoproduktionen nicht auszugehen.
Gibt es da eigentlich unerfüllte Träume? Da verfällt Helle in seine vermeintlich vergangene Schrottrobberzeit zurück: Tschernobyl. Ja, da würde er gern mal fotografieren. Als zweites nennt er seine Science-Fiction-Idole, Mr. Spock beispielsweise. Aber schon schwenkt er um. Es gibt noch so viele unentdeckte Models hier, die man ablichten könnte.
Und was ist nun mit der Antwort auf die Eingangsfrage, die er selbst gestellt hat? Ist Helle verrückt? Ein bisschen schon. Aber das ist gut so. Wäre er ein Null-Acht-Fünfzehn-Fotograf, gäbe es jene außergewöhnlichen Fotos nicht. Danke, dass es sie gibt. Und danke, dass jene Fotos ab Samstag im Geraer Haus Schulenburg in der Ausstellung "100 Jahre Aktfotografie" zu sehen sind.
Und was sagt der Hausherr vom Haus Schulenburg, Dr. Volker Kielstein, über die Arbeiten von Hellebrandt? "Die Aktfotos kommen ganz anders als gewohnt daher. Sie sind märchenhafter, farbiger. Bei Hellebrandts Fotos sieht man die Dinge neu, weil er sie auf eine andere Art und Weise darstellt."
Ausstellungseröffnung "100 Jahre Aktfotografie" am Samstag, den 25. Februar, 15 Uhr, Haus Schulenburg, Gera, Friedensstraße 120. Zu sehen sind Arbeiten von Prof. Hermann Ludwig von Jan, Li Erben, Lothar Pötzl, Matthias Hellebrandt und Jürgen Blume: Fünf Künstler mit insgesamt über 100 Jahren Erfahrungen in der Aktfotografie.
Was mache ich sonst noch so?
Dozent bei der
Grundig Akademie Gera und beim
Bildungswerk Kaimberg.